#388 Welche Relevanz haben Arbeitszeugnisse?

Welche Relevanz haben Arbeitszeugnisse?

Einblicke, Möglichkeiten, Grenzen

 

Jemand bewirbt sich bei Ihnen – was nun?

Während Organisationen oftmals händeringend Talente suchen, stellt sich die Frage der Beurteilung von den Bewerbenden und deren eingereichter Unterlagen. Woran können Sie sich hier orientieren? Welche Leitplanken gibt es, welche Sie nutzen können? Welche Aspekte eine verlässliche Quellen für Erkenntnisse und in welchen Fällen unterliegt man mehr, weniger oder gar nicht bekannten Fehlwahrnehmungen? Nach aktuellen Umfragen gewichten zahlreiche Organisationen die Arbeitszeugnisse immer noch hoch. Ist dies ein richtiger Weg? Welche Aspekte sind hierbei zu beachten?

 

Pro

Arbeitszeugnisse können guten Einblicke in bisherige Berufserfahrungen und Fähigkeiten geben. Wichtig hierbei ist, dass Zeugnisse detailliert, facettenreich, umfassen, am besten standardisiert und mit klaren Daten verstehen sind. So können die Zeugnisse auch dazu dienen die Bewerbungsinformationen zu verifizieren. Eventuelle Lücken und Deltas können angesprochen, diskutiert, geklärt oder aufgedeckt werden. Entsprechend kann eine Entscheidung oder ein Handlungsplan hieraus abgeleitet werden. Meistens zeigen gut geschriebene Arbeitszeugnisse zudem einen Einblick in die Verhaltensweisen einer Person. Niemand arbeitet vollständig alleine, sodass ein wichtiger Aspekt bei heutigen Recruiting-Entscheidungen oftmals der Aspekt ist, wie gut sich jemand in einem Team einfinden und einbringen kann. Es gibt somit durchaus Aspekte, welche für die Inbezugnahme von Arbeitszeugnissen sprechen.

 

Contra

Ebenso jedoch gibt es schwerwiegende Argumente, welche gegen die hohe Gewichtung von Arbeitszeugnissen sprechen. Meisten sind jene Zeugnisse nicht standardisiert und besonders Zeugnisse aus unterschiedlichen Organisationen sind kaum oder gar nicht vergleichbar. Eine hohe Subjektivität wird in nahezu jedem Arbeitszeugnis festgestellt, während eine Datenbasis oftmals überhaupt nicht erwähnt wird. Als Ergebnis halten Sie eine sehr wenig oder gar nicht valide und ebenso wenig reliable Aussage über Personen, welche von einem hohen Maß an Subjektivität geprägt ist. Als größtes Problem jedoch kann jedoch immer noch die fehlende Relevanz im Detailgrad in Hinblick auf spezifische Handlungsfelder erkannt werden. Wenn Sie eine Position neu besetzen, so suchen Sie eine Person, welche sich spezialisiert hierfür eignet. In Arbeitszeugnissen hingegen erhalten Sie meist generelle Aussagen. Andere Organisationen möchten Ihnen oftmals gar keine Details über Prozesse, Kunden- und Handlungsfelder sowie branchenspezifische Abläufe geben, zudem man sich auch nicht als Ausbildungsstätte für den Wettbewerb sieht. Die hier genannten negativen Seiten wiegen schwer.

(Praxisbeispiele und mehr hierzu im dieswöchigen Podcast; Links siehe unten.)

 

Umsetzung

Das hohe Maß an Subjektivität macht es unmöglich ein nicht standardisiertes und nicht auf Daten basierendes Arbeitszeugnis als Entscheidungsgrundlage für eine positive oder negative Recruiting-Entscheidung als alleiniges Werkzeug heran zu ziehen. Hinzu kommt, dass die oftmals in Texten versteckten Codes entweder längst bekannt sind und von Personen nicht akzeptier werden oder Sie nennen jene codierten Botschaften so derartig verschlüsselt, dass die Gegenseite dies überhaupt nicht wahrnimmt, schlimmstenfalls sogar das Gegenteil von dem versteht, was als Kernbotschaft angedacht war. Hinzu kommen soziale und juristische Aspekte. Wenn Sie eine Person sehr mögen, beurteilen Sie jene oftmals besser, auch wenn sich das geschriebene Wort dann nur noch mit viel Fantasie mit der Realität in Einklang bringen lässt. Nicht selten ist ein Arbeitszeugnis auch das Ergebnis einer juristischen Einigung. Ein gutes oder sehr gutes Arbeitszeugnis im Tausch gegen einen Aufhebungsvertrag einzusetzen ist kein seltenes Medium, zumal Sie als Organisation wissen, dass den hierdurch entstandenen Schaden eine im Wettbewerb stehende Organisation tragen wird.

Es ist daher umso wichtiger, dass Sie Arbeitszeugnisse prüfen. Rufen Sie bei Organisationen an, fragen Sie kritisch, achten Sie auf Zwischentöne ohne vorsätzliche Überinterpretationen vorzunehmen. Nutzen Sie Ihr Netzwerk, seien Sie sich jedoch bewusst, dass jene Nutzung nur positiv beitragen kann, wenn jenes Netzwerk divers ist. Non-diverse Netzwerke, machen Entscheidungen schlechter, nicht besser. Weitere Maßnahmen wie exzellente Interviews, Eignungs-Tests, Assessment Center etc. sind zudem ebenso wichtige Maßnahmen für eine optimale Personalgewinnung. Prüfen Sie stets, ob ein gefundenes Urteil datengestützt ist oder ob von Gefühlen, Impressionen, Vermutungen, schlimmstenfalls Mutmaßungen ausgegangen wird. Je valider und reliabler, je wahrheitsgemäß datenbelegt und verlässlich Ihre Entscheidungen fundiert werden, desto besser wird Ihre Entscheidung ausfallen. Das Arbeitszeugnis ist hier ein Bestandteil, kann und darf jedoch nie als Einzelbestandteil ausschlaggebend sein.

---

Mehr zum Thema im dieswöchigen Podcast: Apple Podcasts / Spotify

 

Ihnen ist sehr gute Führungsarbeit wichtig?

Lassen Sie uns reden: NB@NB-Networks.com

 

Kontakt: Niels Brabandt auf LinkedIn

Website: www.NB-Networks.biz  

 

Niels Brabandt ist Experte für Nachhaltige Führung mit mehr als 20 Jahren Erfahrung in Praxis und Wissenschaft.

Niels Brabandt: Professional Training, Speaking, Coaching, Consulting, Mentoring, Project & Interim Management. Event Host, MC, Moderator.

Niels Brabandt